„Vor allem wir Frauen stemmen diese Krise“

Der 8. März ist der internationale Frauentag. „Heuer fällt dieser fast genau auf den Jahrestag der Coronapandemie und diese hat einmal mehr deutlich gemacht, wie viele Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern noch immer in unserer Gesellschaft verankert sind“, sagt Villachs Frauenreferentin Vizebürgermeisterin Gerda Sandriesser.

„Wir in Villach wollen heuer laut und deutlich darauf aufmerksam machen, dass vor allem wir Frauen diese Krise stemmen“, sagt Villachs Frauenreferentin Vizebürgermeisterin Gerda Sandriesser. Hauptsächlich Frauen arbeiten in systemrelevanten und zugleich unterbezahlten Berufen, gerade sie sind in der Krise von Kurzarbeit und Einkommenseinbußen betroffen. Sandriesser: „Das männerdominierte Krisenmanagement entscheidet zudem an der Lebensrealität von Frauen vorbei. Wir Frauen hätten auch gerne eine so starke Lobby, wie Skitourismus und Profifußball. Das würde uns nicht nur in pandemischen Zeiten zugutekommen, sondern uns in Sachen Gleichstellung weiterbringen!“

Frauen stärker betroffen

Villachs Frauenbeauftragte Marie-Theres Grillitsch bekrittelt zudem „die gescheiterte Gleichstellungspolitik der Bundesregierung. Zurecht sind viele Frauen wütend und erklären den Internationalen Frauentag wieder zum Kampftag!“ Es ginge jetzt darum, sich für die Zeit nach Corona zu rüsten. „Die Krise darf nicht auf den Schultern von Frauen finanziert werden.“

Die aktuellen Zahlen des AMS Villach sind deutlich: Die Arbeitslosigkeit im Bezirk Villach hat im Feber 2021 verglichen mit dem Jahr 2020 insgesamt um 27,4 Prozent zugenommen – dabei sind Frauen (+33,7 Prozent) wesentlich stärker als Männer (+22,5 Prozent) betroffen. „Vor allem im Dienstleistungsbereich sind hauptsächlich Frauen beschäftigt, viele Arbeitsmöglichkeiten zum Beispiel im Tourismus und Fremdenverkehr gibt es nach wie vor nicht. Daher ist diese überproportionale Steigerung deutlich erkennbar“, sagt Elke Dorn, Gleichstellungsbeauftragte des AMS Villach. Das AMS startete bereits im Vorjahr mit einer Qualifizierungsoffensive, um Menschen während der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. „Frauen haben im vergangenen Jahr Unglaubliches geleistet, mit fast durchgehender Kinderbetreuung in Verbindung mit Homeschooling und Homeoffice“, sagt Dorn.

Gesundheit und Krise

Daraus resultierend gab es im Coronajahr auch gesundheitliche Belastungen, die eine Folge dieses Drucks sind. „Die Verteilung von unbezahlter Pflege- und Familienarbeit, die im Vorjahr ganz schnell um Homeschooling erweitert wurde, hat Einfluss auf das Gesundheitsverhalten. Je ungerechter es hier zwischen den Geschlechtern zugeht, desto größer wird die gesundheitliche Chancenungerechtigkeit – für Frauen!“, sagt Regina Steinhauser, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums Kärnten. Rund 1700 Frauen haben sich im vergangenen Jahr telefonisch oder digital unter anderem wegen Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen, Essstörungen, Bandscheiben-Problemen Panikattacken und Erschöpfungszuständen beim Frauengesundheitszentrum gemeldet. „Um möglichst gesund durch die Krise zu kommen, müssen Fraueninteressen in allen politischen Entscheidungs- und Beratungsgremien vertreten sein. Die Geschlechterperspektive muss bei den Budgets für Pandemiemaßnahmen konsequent berücksichtigt werden. Politische Entscheidungen zu Öffnungsschritten brauchen endlich auch gesundheitsförderliche Veranstaltungen für Frauen, dies muss denselben Stellenwert wie Krankheitsversorgung bekommen!“

Viele Frauen von Gewalt betroffen

Als Krisen- und Opferschutzeinrichtung war und ist das Frauenhaus Villach für die von Gewalt betroffenen Frauen da. Faktoren wie Lockdown, Quarantäne, Existenzsorgen, psychische Erkrankungen, kleiner Wohnraum und Betreuungspflichten für Kinder unter 10 Jahre verstärken das Risiko, Gewalt in der Partnerschaft zu erfahren. „In der aktuellen Situation erleben Frauen eher psychische Gewalt oder eine Kombination aus körperlicher, emotionaler und sexueller Gewalt – als vor der Pandemie, wie auch erste Studien belegen“, sagt die Leiterin des Frauenhauses Christina Kraker-Kölbl. Auch in Krisenzeiten bleibt der Opferschutz immer gewährleistet: Die Stadt Villach mietete im ersten Lockdown eigene Wohnungen Fürs Frauenhaus an und mittlerweile wurde ein vollausgestatteter Arbeitsplatz fürs Homeoffice von Bewohnerinnen geschaffen geschaffen. „Die Zahl der untergebrachten Frauen und Kinder entspricht dem Jahresdurchschnitt. Ein Alarmsignal ist aber, dass es einen Anstieg bei Frauen gab, die aufgrund der unsicheren allgemeinen Zukunfssituation zum Gefährder zurückgekehrt sind“, sagt Kraker-Kölbl. Waren es 2018 noch 13 Prozent, so entschieden sich im Vorjahr 32,2 Prozent der Frauen zur Rückkehr. Auch die Beratungskontakte nahmen zu, es waren 559 Kontakte, um 14,7 Prozent mehr als 2019.

Im Gewaltschutzzentrum gab es während der Lockdowns einen Rückgang der ratsuchenden Personen. „Die Ursachen für Partnergewalt und generell für häusliche Gewalt ist Abhängigkeit und dass sich Opfer nur schwer Hilfe suchen“, sagt Roswitha Bucher, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Kärnten. Diese Abhängigkeit ist durch die Lockdownmaßnahmen angestieten. Doch weniger Ratsuchende bedeutet nicht weniger Gewalt, im Gegenteil. „Wir betrachten diese Entwicklung mit Sorge, weil sie zeigt, dass Opfer wenige Möglichkeiten sehen, aus einer Gewaltbeziehung auszusteigen.“ 1147 Personen wurden im Vorjahr beraten, 165 davon kamen aus Villach-Stadt, 107 aus Villach Land.

Frauen verrichten mehr unbezahlte Arbeit

„Unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung, Homeschooling oder andere Haus– und Sorgearbeit in der Familie hat in der Pandemie zugenommen und besonders Frauen hohem Druck ausgesetzt“, sagt AK-Vizepräsidentin Uschi Heitzer. „Auch der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf nach einer Elternkarenz wird durch die schwierige wirtschaftliche Situation erschwert und resultiert oft in angespannter finanzieller Lage.“ Der Wiedereinstieg wird oft aufgeschoben oder Frauen arbeiten mit geringer Stundenzahl. Die finanzielle Lücke gefährdet die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Alleinerzieherinnen sind die absoluten Verliererinnen der Krise. Sie arbeiten bis zu 15 Stunden am Tag, nur sechs Stunden davon bezahlt. Ausbleibende Unterhaltszahlungen führen zu existenziellen Bedrohungen. Heitzer: „Die AK kann auf juristischem Weg Frauen zu ihrem Recht verhelfen. Anhand der Prozesse lässt sich nachvollziehen, welche Gesetzesänderungen notwendig wären, um Frauen- und Altersarmut zu verhindern.“

Gerechte Aufteilung

„Die Pandemie hat die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wieder deutlich sichtbar gemacht. Die Frauen sind die ersten die es trifft, sowohl bei Arbeitslosigkeit als auch bei unbezahlten Tätigkeiten. So wie auch Frauenpolitik rasch von aus Männersicht wichtigeren Themen zurückgedrängt wird. Doch Krisenzeiten bieten die Chance, für die Zukunft politische andere Weichen zu stellen“, fasst die an der FH Kärnten lehrende Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle zusammen. „Dazu braucht es nach dem symbolisch wichtigen Händeklatschen für die zahlreichen Systemerhalterinnen, konkrete Wertschätzung durch höhere Löhne. Studien zeigen, dass Männer erstmals mehr Betreuungs- und Hausarbeit im Lockdown übernommen haben. Mit einer Kampagne Halbe-Halbe sollte eine gerechte Aufteilung nach Corona zum Normalzustand erhoben werden.“ Doch die Politikwissenschafterin sieht auch eine Gefahr: „Die Sehnsucht nach unserem alten Leben darf nicht zu einem Rückfall in alte Rollenmuster führen. Am Wiederaufschwung der Wirtschaft müssen Frauen gleichberechtigt teilhaben!“

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